Forum elle Begegnung mit Edith Spillmann

Über Verantwortung, Wandel und die Kraft der Gemeinschaft
Zweimal im Jahr kommen die Präsidentinnen der 16 Forum elle Sektionen zur Präsidentinnenkonferenz zusammen – ein Ort für Austausch, Reflexion und strategische Ausrichtung. Dieses Mal steht ein besonderes Gespräch auf dem Programm: Edith Spillmann, seit Juli 2024 Präsidentin der Delegiertenversammlung des Migros-Genossenschafts-Bundes (MGB), ist zu Gast.
Schon beim ersten Austausch wird klar: Hier sitzt eine Frau, die die Migros-Welt nicht nur aus der Theorie kennt, sondern aus gelebter Erfahrung. Nach ihrer kaufmännischen Lehre begann Edith ihre Karriere im internationalen Handel, und später ist sie in verantwortungsvollen HR-Positionen tätig.
„Ich bin jemand, die gerne vor Ort ist, Dinge versteht, bevor sie entscheidet und handelt“, sagt sie. „Ich war nie die, die nur am Schreibtisch sitzt.“
Aufgewachsen zwischen zwei Welten – und immer mit Neugier unterwegs
Edith stammt aus einer Familie mit schweizerisch-österreichischen Wurzeln. Ihr Vater kam aus dem Aargau, ihre Mutter aus dem Ötztal – ein Tal, das in den 1950er Jahren noch von grosser Armut geprägt war.
„Meine Mutter war eine von vielen jungen Frauen, die damals in die Schweiz kamen, um hier Arbeit zu finden“, erzählt sie. „Sie hat immer gearbeitet – das war für ihre Generation nicht selbstverständlich, besonders mit Kindern.“
Diese Prägung hat Edith früh mitgegeben, dass Unabhängigkeit und Engagement Hand in Hand gehen.
„Meine Mutter hat uns immer gesagt: ‚Sorgt dafür, dass ihr auf eigenen Beinen steht.‘ Das hat mich durchs Leben begleitet.“
Nach ihrer Lehre beim Bauernverband zog es sie in die Welt hinaus. Sie arbeitete in Genf für eine Handelsfirma, später für Unternehmen, die sich mit Exportabwicklungen für schwierige Märkte beschäftigten – Kriegs- und Boykottländer, komplizierte Logistik, anspruchsvolle Gespräche.
„Ich habe es geliebt, mich in neue Themen einzuarbeiten, sei es Exportlogistik, HR oder jetzt die Genossenschaftsarbeit.“
Diese Vielseitigkeit prägt sie bis heute. Als HR-Leiterin hat sie grosse Umstrukturierungen begleitet, auch in herausfordernden Zeiten.
„Die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 war ein harter Einschnitt. Ich habe in der nachfolgenden Zeit hunderte Kündigungen begleiten müssen – das prägt.“
Sie weiss, was es bedeutet, wenn Veränderungen existenzielle Fragen aufwerfen.
„Ich wurde selbst schon entlassen. Ich weiss, wie sich das anfühlt“, sagt sie offen. „Diese Erfahrung hilft mir heute, mit mehr Empathie Entscheidungen zu hinterfragen.“
Migros – eine Genossenschaft im Wandel
Heute steht sie an der Spitze der Delegiertenversammlung des MGB – eine herausfordernde Position, gerade jetzt, wo sich die Migros in einer grossen Transformation befindet.
„Die Delegiertenversammlung ist ein wichtiges Organ. Sie bringt die Stimme der Mitglieder in die strategische und operative Diskussion“, erklärt sie. „Aber wir müssen diese Mitsprache noch sichtbarer machen.“
Denn Genossenschaft bedeutet Mitbestimmung – und die Migros ist in vielerlei Hinsicht ein Unternehmen, das von starken Werten geprägt ist.
„Gottlieb Duttweiler hatte eine klare Vision. Und viele der Werte, die er etabliert hat, sind heute aktueller denn je.“
Das bestätigt auch die Geschichte von Forum elle: Gegründet 1957 von engagierten Migros-Genossenschafterinnen, ist Forum elle heute eine eigenständige Plattform für Frauen, die sich mit den Werten der Migros verbunden fühlen und sich vernetzen wollen.
„Ich sehe hier viele Schnittstellen zwischen Forum elle und der Migros. Gerade wenn es darum geht, Frauen für eine aktive Rolle in der Genossenschaft zu gewinnen.“
Frauen in die Gremien holen – aber wie?
Ein Thema, das alle im Raum beschäftigt: Wie können mehr Frauen für eine aktive Beteiligung in der Migros-Genossenschaft begeistert werden?
„Es gibt viele engagierte Frauen – aber oft wissen sie gar nicht, dass sie sich einbringen könnten“, sagt Edith.
„Oder sie glauben, dass es kompliziert ist“, ergänzt eine der Präsidentinnen.
„Genau“, nickt Edith. „Und das ist schade, denn Frauen bringen oft eine sehr praxisnahe, lösungsorientierte Sicht ein.“
Aber wie kann man sie motivieren?
„Es braucht gezielte Ansprachen, mehr Kommunikation, mehr direkte Begegnungen – denn oft sind es persönliche Gespräche, die den Unterschied machen.“
Migros im Wandel – Chancen und Herausforderungen
Natürlich bleibt das Gespräch nicht nur auf die Rolle der Frauen beschränkt. Auch die grossen Themen der Migros kommen zur Sprache.
„Die Migros ist riesig – und genau deshalb müssen wir uns immer wieder fragen, wo unser Fokus liegt“, sagt Edith.
Eine der Präsidentinnen spricht Food Waste an.
„Alle sagen, sie wollen weniger Verschwendung – aber gleichzeitig erwarten die Kundinnen ein volles Regal bis Ladenschluss. Das ist einer dieser Widersprüche, mit denen wir arbeiten müssen.“
Und die Regionalität?
„Wir alle lieben es, wenn unsere Migros Produkte aus der Region anbietet“, sagt eine der Frauen. „Aber wie stellt man sicher, dass das in der ganzen Schweiz funktioniert?“
„Das ist eine grosse Herausforderung – denn Regionalität heisst eben nicht, dass überall dasselbe verfügbar ist.“
Forum elle und Migros – wo geht die Reise hin?
Eine Frage bleibt im Raum stehen: Wie können Forum elle und Migros noch besser zusammenarbeiten?
„Ich denke, Forum elle kann eine noch stärkere Impulsgeberin sein“, sagt Edith. „Ihr kennt die Themen, die Frauen beschäftigen. Ihr seid vernetzt. Das ist eine Ressource.“
Ein Gedanke, den viele hier mitnehmen.
Das Gespräch endet mit einer klaren Botschaft: Es gibt viel zu tun. Aber es gibt auch viel Potenzial.
„Die Migros hat eine grosse Geschichte – aber auch eine grosse Zukunft. Und wir alle sind ein Teil davon.“
Ein Satz, der bleibt.